Dienstag, 15. März 2011

Überstunden

Bei vielen Projekten kann es passieren, dass es zu zeitlichen Engpässen kommt, je weiter man sich dem Ende nähert.
Oftmals sind daran Dinge schuld, die man vorher nicht wissen konnte oder vergessen hat. Das ist eigentlich nichts ungewöhnliches.

Wenn solche Engpässe bewusst in Kauf und sogar provoziert werden, sieht die Sache schon wieder ganz anders aus. Werden Überstunden bereits in die Planung mit aufgenommen, so kann das Projekt eigentlich nur explodieren.

Und so geschah es, dass mein Chef den Einfall hatte, eine Werbebroschüre über sein Produkt erstellen zu lassen. Natürlich sollten darin die neuesten Features aufgeführt sein, schließlich will man ja up-to-date sein.
Was tut man also: Richtig! Man überlegt sich, welche Features man sich als nächstes wüscht und geht noch vor Beginn der Planung und Entwicklung zum Grafiker und fordert bei diesem Screenshots dieser zukünftigen Features an.

Wenn dieser dann entgegenet, dass er aufgrund mangelnder Existenz des Programmteils auch keine Screenshots liefern könne, dann liegt das ganz bestimmt nur daran dass er sich noch keine Gedanken gemacht hat.

Wie dem auch sei, der Grafiker musste sich eben Gedanken machen, wie Modul XY später aussehen könnte. Diese Idee wurde dann in die Broschüre aufgenommen und so dargestellt, als sei das alles bereits fertig.

Als der Godfather of Projectmanagement dann jedoch verlangte, dass die beworbenen Programmteile bei Auslieferung der Broschüre auch fertig sein müssen, begann eine Zeit, in der mehrere Personen ihren Wohnsitz auch in die Firma hätten verlegen können.
Fast 4 Wochen lang wurde jeden Tag gearbeitet. Pro Tag arbeitete jeder mind. 12 Stunden, denn eigentlich war das geforderte überhaupt nicht machbar. Das war zu dieser Zeit jedoch ziemlich egal, denn die Wirtschaftskrise war in vollem Gange und man tat eben alles, um seinen Job zu behalten.
Teilweise waren wir bis zu 16 Stunden im Betrieb und gaben alles, um die Vorgaben zu erfüllen.

Als die Broschüren in die Auslieferung gingen, war der Großteil der Aufgaben erledigt und die Belegschaft am Ende. Mein Chef war sogar zufrieden. Zumindest für kurze Zeit.

Ab dieser Zeit wurden wieder normale Zeiten gearbeitet, die Überstunden des letzten Monats durfte jeder Mitarbeiter unter der Rubrik "Die gute Tat" ablegen.
Nach einer Woche stand dann die wöchentliche Besprechung an.

Chef: Ich muss allen Mitarbeitern ein Lob aussprechen. Ich hatte schon fast die Befürchtung, dass nicht alles in der Frist fertig wird.
Allerdings lief die letzte Woche nicht so toll. Ich hatte vorgesehen, dass das Modul 0185 fertig wird.
Daher ordne ich für diese Woche Überstunden an, und zwar wird in dieser Woche jeder Mitarbeiter täglich 1 Stunde länger arbeiten. Ich habe das mit unserem Anwalt bereits geklärt, und er meint, dass 1 Stunde täglich durchaus zumutbar...

An dieser Stelle platzte mir der Kragen.

Ich: Wenn du das machst, hast du morgen meine Kündigung auf dem Tisch. Die ganze Abteilung reißt sich ihren verdammten Arsch auf, bloß weil du Dinge bewirbst, die es überhaupt nicht gibt.
Wir haben teilweise das doppelte unserer täglichen Arbeitszeit geleistet und bekommen dafür noch nicht einmal einen Ausgleich.
Du hast die Wahl!

Er hat es dann - zum Glück - gelassen.

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